Das Ziel dieser Ordnung lag darin, dem mit farbiger Umweltgestaltung befaßten Architekten ein Hilfsmittel an die Hand zu geben, mit dem er seine sowohl technischen als auch künstlerischen Aufgaben erfüllen kann. Nach Einschätzung seiner ungarischen Erfinder erfüllte keines der damals verfügbaren Farbsysteme die genannten Bedürfnisse der Farbenplanung. Das entworfene Coloroid-System arbeitet mit den drei Parametern Farbton, Sättigung und Helligkeit. Über einem 48teiligen Farbtonkreis erhebt sich ein Zylinder, entlang dessen Höhe der Parameter Helligkeit aufgetragen wird. Das leitende Prinzip des Systems besteht darin, die ästhetischen Abstände zwischen den Farben identisch erscheinen zu lassen. (Ausführlicher Text)
Das Farbsystem «Coloroid» wurde seit 1962 an der Technischen Universität von Budapest unter der Leitung von Antal Nemcsics entwickelt und 1974 zum ersten Mal vorgestellt. Das Ziel dieser Ordnung lag darin, dem mit farbiger Umweltgestaltung befaßten Architekten ein Hilfsmittel an die Hand zu geben, mit dem er seine sowohl technischen als auch künstlerischen Aufgaben erfüllen kann. Nach Einschätzung seiner ungarischen Erfinder erfüllte keines der damals verfügbaren Farbsysteme die genannten Bedürfnisse der Farbenplanung, und so errichtete man einen neuen Farbenraum, dem «auf die Stimmen von 70.000 Versuchspersonen aufgebaute psychometrische Skalen» zugrunde liegen, wie Antal Nemcsics 1978 berichtet hat. Diese vielen Menschen haben geholfen, das Coloroid-System zu ermöglichen, das auf «ästhetisch gleichmäßigen» Farbreihen basiert. Als leitendes Prinzip der Konstruktion wurde also die Gleichheit ästhetischer Abstände gewählt, das heißt, innerhalb des Systems sollte eine Ausgewogenheit der Erscheinung für alle Farbskalen erzielt werden. Unterschiede der Wahrnehmung sollten erst an zweiter Stelle rangieren.
Als Variable des Coloroid-Systems tauchen der Farbton (abgekürzt durch A), die Sättigung (T) und die Helligkeit (V) auf. Die dreidimensionale Gesamtheit der Farben wird im Inneren eines geraden Kreiszylinders angeordnet, was dem Prinzip der empfindungsgemäß aufgebauten Farbsysteme entspricht. Die genaue Festlegung erfolgt so, daß sich der Farbton entlang des Zylinderumfangs, die Sättigung entlang des Radius und die Helligkeit parallel zur Zylinderachse ändert. Auf ihr befinden sich somit die neutralen Farben zwischen Weiß (W, oben) und Schwarz (S, unten). Die zur Achse senkrechten Ebenen enthalten Farben gleicher Helligkeit, und die Sättigung wächst mit zunehmender Entfernung vom Zentrum. Farben gleicher Sättigung bilden je einen Zylindermantel. Farben gleichen Farbtons befinden sich in den Halbebenen der senkrechten Schnitte entlang der Zylinderachse.
Die Farben des Spektrums und der Purpurlinie liegen wie eingetragen auf der Zylinderachse, und zwar genauer auf dem etwa Ellipsenform annehmenden schrägen Schnitt durch die dreidimensionale Konstruktion. Sie stellen die sogenannten Coloroid-Grenzfarben dar. Aus ihnen wurden die Grundfarben des Systems gewählt, und zwar insgesamt 48 Farben, die durch ganze Zahlen gekennzeichnet werden und voneinander «empfindungsgemäß ästhetisch annähernd in gleichen Entfernungen» liegen.
Die ästhetische Gleichmäßigkeit der Farbtonskala wurde dabei grundsätzlich dadurch erreicht, daß die Probanden gebeten wurden, aus 160 Farbproben — mit Munsell-Helligkeit und Chroma V/C = 6/12 und von verschiedenen Farbtönen — einen Farbenkreis so herzustellen, daß die eingeschlossene Skala — zusammen betrachtet — als gleichmäßig veränderlich wirkte.
Im Coloroid-System wird jede Grenzfarbe durch eine sogenannte Grenzkurve mit Weiß und Schwarz verbunden. Dabei entsteht ein geschlossener Farbenraum, der alle wahrnehmbaren Farben in der den empfindungsgemäßen Kennwerten des Systems entsprechenden Anordnung enthält. Innerhalb dieses Coloroid-Raumes befindet sich der (kleinere) Coloroid-Farbkörper, der nur die Oberflächenfarben enthält. Bei den Farbtönen bleiben das extreme Rot (jenseits von 700 nm) und das äußerste Violett (jenseits von 450 nm) ausgespart. Die Helligkeit steigt vom Schwarz zum Weiß in 100 einheitlichen Schritten, die von den Autoren physikalisch genauer definiert werden, auf (nämlich als Quadratwurzel der Leuchtkraft). Die Sättigung, für die ebenfalls 100 Einheiten vorliegen, wird dadurch definiert, daß die Testfarbe als additive Mischung der Spektralfarben (und des Purpur) analysiert wird. Als Sättigung einer Farbe wird der Prozentsatz der Spektralfarbe (oder des Purpur), der in der Mischung vorhanden ist, angegeben.
In der Coloroid-Farbenebene werden die Schnitte der Halbebenen mit dem Coloroid-Farbkörper gezeigt. Dabei erscheinen die Grenzkurven der Oberflächenfarben. In der Ebene sind der Farbton und die kennzeichnende Wellenlänge jeder Farbe gleich.
Es ist möglich, die genauen Beziehungen dieses Systems zum Normvalenzsystem (dem CIE-Diagramm) anzugeben, was aber hier nicht weiter verfolgt werden kann.
Neuartig am Coloroid-System ist offenbar der Begriff des «ästhetisch gleichmäßigen Farbenraums», wobei eine Skala als ästhetisch gleichwertig betrachtet wird, wenn sie für den Betrachter als Ganzes gleichmäßig veränderlich wirkt. Die Idee hinter der Konstruktion tauchte mit der Erkenntnis auf, daß bei der Planung einer farbigen Umgebung Farben in Einklang zu bringen sind, die hinsichtlich Farbton, Sättigung und Helligkeit sehr verschieden sind. Für den Designer ist daher die erläuterte ästhetische Gleichmäßigkeit wichtiger als die Fähigkeit, kleine Farbdifferenzen genau zu erfassen und immer in gleicher Größe zustande zu bringen. Nicht die Unterschiede müssen genau bestimmt werden, sondern ihr Zusammenspiel.
Datierung: Das System zur Ordnung der Farben wird seit 1962 entwickelt und liegt seit 1974 vor.
Herkunft: Ungarn
Grundfarben: 48 Grundfarben, «empfindungsgemäß ästhetisch annähernd in gleichen Entfernungen»
Form: Modifizierter Zylinder aufgrund «psychometrischer Skalen»
Anwendung: Architektur, Design
Referenzsysteme: Munsell — CIE — Gerritsen
Literatur: A. Nemcsics, «The Coloroid Color Order System», Color Research and Application 5, 113-120 (1980); A. Nemcsics, «The Color Space of the Coloroid Color Order System», Color Research and Application 12, 135-146 (1987); F. W. Billmeyer Jr., «Survey of Color Order Systems», Color Research and Application 12, 173-186 (1987).