Das Ziel der schwedischen Farbforscher bestand darin, ein Farbsystem aufzustellen, mit dem jeder, der über die normale Fähigkeit zum Farbensehen verfügt, in der Lage sein konnte, Farbbestimmungen vorzunehmen, ohne auf die Hilfe von Farbmeßinstrumenten oder Farbmuster angewiesen zu sein. Im NCS Farbsystem werden die sechs elementaren Farbempfindungen Schwarz, Weiß, Gelb, Rot, Blau und Grün an die sechs maßgeblichen Punkte eines Doppelkegels gestellt, nämlich die unbunten Farben an die beiden Spitzen und die vier bunten Farben mit gleichen Abständen im Farbkreis. Dabei entsteht ein dreidimensionaler Rahmen, der durch elementare Farbempfindungen definiert wird und in dem jede Farbwahrnehmung ihren Platz gemäß ihrer Nuance und ihrem Farbton findet. (Ausführlicher Text)
Das System der natürlichen Farben, das «Natural Colour System NCS», stammt aus Schweden. Es operiert mit den sechs Primärfarben, die Leonardo da Vinci (Textstelle) vorgeschlagen hat, und der Opponenten-Theorie von Ewald Hering. Konkrete Ausgangspunkte der Forschungsarbeiten waren zudem das System von Tryggve Johansson und der Farbatlas von Sven Hesselgren. Das Unternehmen startete im Jahre 1964, und Ende der sechziger Jahre konnten Anders Hård und Lars Sivik ihre ersten Ergebnisse vorlegen.
Das Ziel der schwedischen Farbforscher bestand darin, ein Farbsystem aufzustellen, mit dem jeder, der über die normale Fähigkeit zum Farbensehen verfügt, in der Lage sein konnte, Farbbestimmungen vorzunehmen, ohne auf die Hilfe von Farbmeßinstrumenten oder Farbmuster angewiesen zu sein. Das NCS-System soll benutzt werden können, um die Wandfarbe in einem Zimmer, die Farbe eines Laubbaumes in weiter Entfernung, die Farbe einer bemalten Fläche, die Simultankontraste aufweist, oder die Farbe eines Punktes auf dem Fernsehschirm zu bestimmen. Grundlage soll allein die Wahrnehmung einer Farbe und nicht der Vergleich verschiedener Farben untereinander («color matching») sein.
Das System der natürlichen Farben hat die äußere Form eines Doppelkegels, der so angelegt ist, daß die vier psychologischen Grundfarben Gelb (Y), Rot (R), Blau (B) und Grün (G) den Grundkreis bilden und dabei Plätze mit gleichen Abständen voneinander einnehmen. Die beiden Spitzen des Doppelkegels sind Weiß (oben) und Schwarz (unten), wobei die Verbindung zwischen jeder der vier Grundfarben und den beiden unbunten Spitzen ein gleichseitiges Dreieck ergibt.
Dieses Dreieck gibt die Nuance einer Farbe an. Aufgeführt sind die wahrgenommenen Weiß- (W), Schwarz- (S) und Farbanteile (C). Die zuäußerst rechts eingetragene Farbe ist dann durch die Parameter S = 10, W = 10 und C = 80 gegeben. (Die drei Zahlen ergeben zusammen natürlich 100.)
Im NCS-Farbenkreis wird jedes der Kreisviertel zwischen je zwei Grundfarben durch eine Skala unterteilt, die den prozentualen Anteil jeder Farbe nach folgendem Schema angibt: Y40R heißt Gelb mit 40% Rot, und B20G heißt Blau mit 20% Grün. Die Zuordnung beruht dabei auf dem Prinzip der Ähnlichkeit. Dieses Konzept besagt, daß jede Farbe höchstens zu zwei der chromatischen Elementarfarben (neben Weiß und Schwarz) ähnlich ist, wobei die Übereinstimmung quantitativ mit einer Genauigkeit von 5% abgeschätzt werden kann (ohne Hilfe eines materiellen Standards). Solche Abschätzungen sollen selbst Beobachtern gelingen, die noch wenig erfahren im Umgang mit Farbe sind.
Die Variablen des NCS-Systems werden ebenfalls durch Ähnlichkeit definiert. Eine von ihnen ist der Farbton, der wie oben erläutert zustande kommt. Dabei soll zum Beispiel die Farbe Orange 30% Ähnlichkeit zum Roten und 70% Ähnlichkeit zum Gelben haben, was ihr die Koordinaten Y30R einträgt.
Als weitere Variable kommen die Chromatizität (Anteil einer Buntfarbe) C und der Schwarzanteil S ins Spiel, und zwar so, wie es im Dreiecks eingezeichnet worden ist. Das heißt, gleiche Buntanteile enthalten alle Farben, die auf den senkrecht verlaufenden Linien — parallel zur Schwarz-Weiß-Achse — liegen. Gleiche Schwarzanteile enthalten entsprechend alle Farben der Reihe, die parallel zur Linie zwischen Weiß und der betrachteten Farbe verlaufen. Und alle Farben, die auf Reihen parallel zur Linie zwischen Schwarz und der Farbe liegen, enthalten den gleichen Weißanteil (der nicht eigens aufgeführt werden muß, weil er sich aus C und S beziehungsweise aus dem Schnittpunkt der entsprechenden Reihen ergibt).
Dem System der natürlichen Farben gelingt es, die guten Seiten der Systeme von Munsell und Ostwald zu übernehmen, ohne ihre Nachteile mitführen zu müssen, indem es sich auf die Beschreibbarkeit einer Farbwahrnehmung beschränkt. Seine Schöpfer wiesen empirisch nach, daß jede wahrgenommene Oberflächenfarbe beschrieben werden kann, indem man ihre Ähnlichkeit zu maximal vier der sechs elementaren Farbempfindungen quantifiziert. Damit folgten sie streng einem phänomenologischen Ansatz.
Natürlich ist auch das natürliche System der Farben nicht vollkommen, und seine Ausweitung auf Leuchtfarben zum Beispiel wird auch neue Kenntnisse über Sehen und Wahrnehmen mit sich bringen. Die offene Vielfalt der Farben übersteigt jedes geschlossene System, auch wenn es noch so raffiniert und rücksichtsvoll konstruiert ist.
Datierung: Das «System der natürlichen Farben» (Natural Color System, NCS) liegt seit 1968/69 vor.
Herkunft: Schweden
Grundfarben: Rot, Gelb, Blau und Grün
Form: Doppelkegel
Anwendung: Farbbestimmungen: Architektur, Design, Mode
Referenzsysteme: Grosseteste, Alberti, da Vinci — Hering — Munsell — Ostwald — Pope — Johansson — Hesselgren — ACC
Literatur: A. Hård, «A descriptive colour system with application for environmental design», Man-Environment-Systems 5, 161-167 (1975); «NCS Colour Atlas», Stockholm 1978; G. Tonnquist, «Das Natürliche Farbsystem NCS», DIN Mitteilungen (Sept. 1986), 462-469.
Links: Skandinavische Farbinstitut