Birren erklärt seinen Farbenkreis mit den Praktiken der Künstler. Er unterscheidet «warme» und «kalte» Farben. Ein «rationaler Farbkreis» mit dreizehn Farbsegmenten auf dem Umfang und einem aus dem Zentrum verschobenen Grau wird vorgeschlagen, um ein System vorlegen zu können, das den «warmen» Farben zwischen Rot und Gelb mehr Platz einräumt als den «kalten» Farben zwischen Grün und Violett. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß ein Auge mehr warme Farben unterscheiden kann, denen daher entsprechend mehr Bedeutung in der Kunst zukommt. (Ausführlicher Text)
Der Amerikaner Faber Birren (1900-1988) hat wahrscheinlich mehr Bücher als jeder andere zum Thema Farbe geschrieben, nämlich ungefähr 25 Stück. Sein erstes Buch erschien bereits im Jahre 1928 («Color in Vision»), und sein letztes großes Werk publizierte Birren 1981 («The History of Color in Painting»). 1934 legte er gleich zwei Darstellungen zum Thema vor — «Color Dimension» und «The Printer’s Art of Color». In diesen Büchern stellt er sein eigenes Farbsystem vor, das er als «Rational Color Circle» einstuft. In ihm gruppiert er 13 Farben um ein Grau, das selbst nicht im Zentrum steht. Die Kreisfarben setzen sich zusammen aus Gelb, Gelb-Laubgrün, Laubgrün («Leafgreen»), Grün- Laubgrün, Grün, Türkis («Turquoise»), Blau, Violett, Rot-Violett, Rot, Rot-Orange, Orange und Gelb-Orange. Die dick ausgeführten Linien des Schemas weisen dabei auf die vier psychologischen Primärfarben hin, die auf Ewald Hering zurückgehen. Gestrichelte Linien weisen Mischungen auf, während die verbleibenden dünn durchgezogenen Linien sekundäre Farben erfassen.
Birren erklärt seinen Farbenkreis mit den Praktiken der Künstler. Er unterscheidet zunächst warme und kalte Farben. Die warmen Farben beginnen — Birren zufolge — vom Violetten herkommend kurz vor dem Rot und reichen bis hinter das Gelb. Konstruiert man einen Farbenkreis mit den drei Primärfarben der subtraktiven Mischung — Gelb, Blau und Rot — in gleichem Abstand, nehmen die warmen Farben etwa die Hälfte des Kreises ein. Konstruiert man einen Farbenkreis mit den vier Primärfarben der Psychologie und des Sehens — Gelb, Grün, Blau und Rot — werden die warmen Farben zurückgedrängt. Sie nehmen nun weniger als die Hälfte des Umfangs ein.
Nun geben aber die meisten Künstler den warmen Farben mehr Bedeutung als den kalten, da sie — wie Birren es ausdrückt — dynamischer sind und intensiver wirken. Da zudem das Auge mehr warme als kalte Farben unterscheiden kann, kommt er zu der gezeigten Anordnung mit folgender Begründung: «Wenn man einen Farbenkreis rational machen würde, und wenn die Schritte entlang seines Umfangs gefällig geordnet und von einem zum anderen glatt wahrnehmbar sein sollen, dann würde solch ein Farbenkreis mehr warme als kalte Töne aufnehmen, selbst wenn dadurch der zentrale Punkt der Komplementation aus dem Gleichgewicht geworfen würde.»
Der Ausdruck «Punkt der Komplementation» weist auf die Tatsache hin, daß die gewöhnlichen Farbenkreise dem Auge ein Grau zeigen, wenn man sie um das Zentrum dreht, das damit der erwähnte Punkt der Komplementation wäre. Birrens Farbenkreis wird nicht grau, wenn er sich um die Kreismitte dreht.
Im Jahre 1937 legte Birren noch die gezeigten Farbendreiecke vor, die visuelle und psychologische Beziehungen aufnehmen und vorstellen. Die sieben Namen fassen die Möglichkeiten zusammen, unter denen wir Farben erfahren können. Die reine Farbe verbindet sich mit dem Weiß zu einer hellgetönten Farbe, die im Englischen als «tint» bezeichnet wird. Als Übersetzung käme Farbton oder Schattierung in Frage, aber diese Wörter müßten wir auch gebrauchen, um «shade» oder «tone» zu übersetzen. Mit «shade» ist eine dunkelgetönte Farbe gemeint, die sich durch Mischung mit Schwarz ergibt, und mit «tone» wird das Ergebnis einer Kombination von reiner Farbe mit Schwarz und Weiß bezeichnet.
In einem zweiten Dreieck versammelt Birren Zahlenpaare, die durch einen Punkt getrennt sind. Die Ziffern vor dem Punkt entsprechen dem Vorhandensein von Weiß, das von 100 bis 0 reichen kann. Und die Ziffern nach dem Punkt geben auf analoge Weise an, wieviel Schwarz vorhanden ist. Der Farbanteil errechnet sich, wenn man beide Zahlen addiert und das Ergebnis von 100 abzieht. Die Kombination 0.0 ist demnach die reine Farbe, und die Kombination 10.50 kennzeichnet einen Farbton mit 10% Weiß, 50% Schwarz und (demnach) 40% reiner Farbe.
Birren versucht mit seinem Farbendreieck, einer Harmonie der Farben auf die Spur zu kommen. Seiner Vorstellung nach findet man immer dann Harmonie, wenn man gradlinig den eingezeichneten Verbindungen folgt, also etwa der Linie Weiß-Grau-Schwarz oder der Strecke Farbe-Schattierung-Schwarz. Er schließt sich damit einer allgemein geäußerten Ansicht an, derzufolge Schönheit das Ergebnis einer guten Ordnung der Farben ist.
Datierung: Der amerikanische Kunsthistoriker Faber Birren entwirft seinen «rationalen Farbkreis» im Jahre 1934.
Herkunft: USA
Grundfarben: Rot, Grün, Gelb und Blau
Form: Kreis
Anwendung: Malerei
Referenzsysteme: Harris — Hering
Literatur: F. Birren, «Color Dimensions», New York 1934; F. Birren, «The Printer’s Art of Color», New York 1934; F. Birren, «Principles of Color», New York 1969.