Eine Metrik im Farbenraum soll den Farbempfindungsunterschied beschreiben, den zwei beliebige Elemente aus der dreidimensionalen Farbmannigfaltigkeit im Auge des Betrachters (unter gegebenen Beobachtungsbedingungen) hervorrufen. So übersichtlich diese Aufgabe noch klingt, so unübersichtlich werden ihre Ausführungen. Die Kurvenverläufe der Linienelemente hängen von vielen Messungen, komplizierten Annahmen und physikalischen Gesetzen ab. Die gezeigte Figur stellt eine der Möglichkeiten dar, diesen Farbempfindungsunterschied zu erfassen. Dazu wird ein sogenanntes Linienelement im Farbraum ausgewählt, das möglichst genau den eben noch merklichen Unterschied zweier benachbarter Farben kennzeichnet. Dessen mathematische Anwendung führt zu der gezeigten Fläche im Raum der Farben. (Ausführlicher Text)
Im Laufe der Geschichte hat es viele Versuche gegeben, mit linearen oder nichtlinearen Transformationen des CIE-Diagramms einen «visuell homogenen Farbenraum» zu konstruieren. Gelungen ist dies aber nicht, wie an anderer Stelle angemerkt wurde.
Das Problem besteht in dem, was die Experten die Metrik des Farbenraums nennen, von der bislang keine existiert, die Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben könnte. Im Alltag versteht man unter Metrik die Lehre vom Versbau oder vom Takt, was beides mit Maßeinheiten zu tun hat. Metrik in der Geometrie fragt nach der Maßeinheit (dem Meter), mit der ein Raum zu vermessen ist. Das theoretische Konstrukt, mit dem dies geschieht, heißt dann Maßtensor oder Linienelement. Ein Linienelement liefert eine mathematische Formel, mit der Farbunterschiede zu ermitteln sind. (Wie bestimmt man zum Beispiel den Unterschied in der Helligkeit von Farben mit unterschiedlichem Farbton?)
Eine Metrik im Farbenraum soll also den Farbempfindungsunterschied beschreiben, den zwei beliebige Elemente aus der dreidimensionalen Farbmannigfaltigkeit im Auge des Betrachters (unter gegebenen Beobachtungsbedingungen) hervorrufen. So übersichtlich diese Aufgabe noch klingt, so unübersichtlich werden ihre Ausführungen. Die Kurvenverläufe der Linienelemente hängen von vielen Messungen, komplizierten Annahmen und physikalischen Gesetzen ab. Es ist ausgeschlossen, hier auch nur im Ansatz den Versuch zu unternehmen, die damit verbundenen mathematischen und geometrischen Bemühungen nachzuvollziehen. Es reicht, die Farbkörper schön zu finden, die dabei entstehen, wie der gezeigte, der auf den Amerikaner Walter S. Stiles zurückgeht und mit einem Linienelement ausgeführt wurde, das er erstmals 1946 vorschlug.
Die Idee von Linienelementen geht bis auf Hermann von Helmholtz zurück, der die wahrnehmbaren Unterschiede zwischen den additiven Farbmischungen rechnerisch zu erfassen versuchte. Helmholtz wollte, daß im Farbenraum alle Farben, die zu einer anderen Farbe gleich oder ähnlich erscheinen, auch dieselbe Distanz zu ihr aufweisen. Sein Linienelement hat er in dieser Absicht konstruiert. Walter S. Stiles hat die Vorschläge von Helmholtz modifiziert, um Beobachtungen über Schwellenwerte besser Rechnung tragen zu können. Beispiele dafür hatten wir im Zusammenhang mit dem System von MacAdam erwähnt, als die mit seinem Namen verbundenen Schwellenellipsen vorgestellt wurden. Durch eine nicht-lineare Transformation, die 1957 von D. Farnsworth vorgeschlagen wurde, können diese Regionen der Farbempfindungstoleranz in Kreise verwandelt werden, wie sie im rechten Bild mitsamt dem ebenfalls verzerrten Umriß des CIE-Diagramms gezeigt werden. (Man erkennt den veränderten Spektrallinienzug und die verwandelte Purpurlinie.) Insgesamt sind 25 kleine Kreise zu erkennen, die die 25 Sollfarben umrunden, an denen MacAdam seine Schwellenellipsen experimentell bestimmt hatte.
Die Purpurlinie und der Ort der Spektralfarben sind ebenfalls auf der UCS-Oberfläche zu erkennen, die mit dem Linienelement von Stiles errechnet wurde und in der linken Zeichnung zu sehen ist. Die Koordinaten sind so gewählt, daß die für das CIE-Diagramm eingesetzte Standardlichtquelle C in den Nullpunkt des neuen Koordinatensystems X1, X2, X3 zu liegen kommt. In der Ebene, die durch X1 und X2 aufgespannt wird, ist gleichzeitig die Projektion der UCS-Oberfläche nach Stiles zu sehen.
Mit dieser Tafel und dem System von MacAdam haben wir das Gebiet verlassen, das der Physiker Erwin Schrödinger einmal das Terrain der niederen Farbmetrik genannt hat, weil es ausschließlich auf dem Gleichheitsurteil über Farben aufbaut. MacAdam und Stiles geht es mehr um die Gleichabständigkeit der Farben, die im Grunde wenig mit ihrer Gleichheit zu tun hat, und dabei spricht man von der höheren Farbmetrik. Sie ist zwar kompliziert und faszinierend zugleich, aber der nicht unmittelbar mit diesen Fragen beschäftigte Farbenliebhaber gewinnt doch nach und nach den Eindruck, daß der Nutzen dieser höheren theoretischen Erwägungen eher gering bleibt. Hier scheinen die Experten unter sich zu bleiben.
Datierung: Die geometrische Darstellung des Farbenraumes stammt aus dem Jahre 1946.
Herkunft: USA
Grundfarben: Rot, Grün und Blau
Form: «Linienelement»
Anwendung: Farbmetrik
Referenzsysteme: Helmholtz — CIE — CIE-MacAdam
Literatur: W. S. Stiles, «A modified Helmholtz line element in brightness-colour space», Proceedings of the Physical Society London 58, 41-65 (1946); G. Wyszecki und W. S. Stiles, «Color Science», New York 1967.