Das System baut auf drei Grundfarben auf Rot, Gelb und Blau , stellt damit 12 Hauptfarben zusammen und setzt sie in Form von unterschiedlich gestalteten Dreiecken zu einem gefälligen Farbenkörper zusammen, der dem Unterschied bei Intensität und Sättigung Rechnung tragen soll. An dieser Stelle bietet sich die Gelegenheit, die Vierfarbentheorie Herings ebenso experimentell abzusichern wie zuvor schon die Young-Helmholtzsche Dreifarbentheorie: von den «On»- und «Off-Zentrum»-Zellen. (Ausführlicher Text)
Im Jahre 1924 konstruierte der amerikanische Erzieher und Kunsttheoretiker Arthur Pope (1880-1974) seinen erst ein Vierteljahrhundert später veröffentlichten Farbkörper, der sich um eine Grauachse zwischen Weiß (W) und Schwarz (B) bildet, die in 9 Stufen eingeteilt ist. Den Körper selbst kann man sich aus Dreiecken unterschiedlicher Größe und Gestalt zusammengesetzt denken. Die zweidimensionale Projektion der dreidimensionalen Anordnung führt auf einen Kreis, der in zwölf Segmente geteilt ist, denen die Hauptfarben zugeordnet werden: Gelb (Y), Grüngelb (GY), Grün (G), Grünblau (GB), Blau (B), Blaupurpur (BP), Purpur (P), Rotpurpur (RP), Rot (R), Orangerot (OR), Orange (O) und Gelborange (YO). Als Hauptmerkmale der Farbwahrnehmung wählte Pope den Farbton (Hue), die Sättigung (die er «purity» — Reinheit nannte) und die Helligkeit. Das Farbsystem von Tryggve Johansson wählt eine ähnliche Darstellung der Farbqualitäten eines gegebenen Farbtons. Und das System von Sven Hesselgren versucht eine Synthese aus noch anderen, ähnlichen Versuchen, die alle auf Herings psychologischen Ansatz zurückgehen und auf das NCS-System zusteuern. Popes System liegt geometrisch gesehen zwischen dem anschaulichen Ostwaldschen Doppelkegel und dem berechneten Luther-Nyberg-Körper.
Vielleicht bietet sich an dieser Stelle die Gelegenheit, die Vierfarbentheorie Herings ebenso experimentell abzusichern wie zuvor schon die Young-Helmholtzsche Dreifarbentheorie. Wir hatten erwähnt, daß die Vorstellungen der Physiologen von drei Rezeptoren im Auge für drei Grundfarben in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts ihren direkten molekularbiologischen Nachweis erfahren haben. Der erste Schritt der Farbwahrnehmung auf der Netzhaut läuft tatsächlich so ab, wie es sich Young und Helmholtz vorgestellt haben. Der zweite Schritt sieht allerdings raYnierter aus. Was die lichtempfindlichen Zapfen registrieren, wird nicht direkt in dem Sinne ins Gehirn weitergeleitet, daß jeder Zapfen eine Nervenzelle bedient, die ihrerseits ins Gehirn läuft. Vielmehr werden mehrere Zellen der Netzhaut — hierzu gehören übrigens nicht nur Zapfen, ohne daß weitere Details benötigt würden — zusammengeschaltet, bevor ihre Information auf eine Nervenbahn kommt. Die Verarbeitung der visuellen Information ist so organisiert — diese Einsichten stammen aus den sechziger und siebziger Jahren — daß eine Nervenzelle (ein Ganglion) dann ein Signal trägt, wenn im Auge ein definierter Bereich durch einen definierten Reiz erregt wird. Der definierte Bereich, den man sich als winzigen Kreis vorstellen kann, heißt das rezeptive Feld des Ganglions, und der definierte Reiz besteht darin, Licht im Zentrum und kein Licht am Rand oder umgekehrt zu haben. Die Physiologen sprechen dann von einem «On-Zentrum»- beziehungsweise einem «Off-Zentrum»-Ganglion. Eine «On-Zentrum»-Nervenzelle feuert dann ihr stärkstes Signal, wenn ihr rezeptives Feld zentral beleuchtet wird und an der Peripherie dunkel bleibt. Und eine «Off-Zentrum»-Nervenzelle wird vor allem aktiv, wenn die Peripherie ihres rezeptiven Feldes Licht empfängt, während dies im Zentrum unterbleibt.
Bisher war noch nicht von Farbe die Rede. Aber mit dieser grundsätzlichen Einsicht in die Verarbeitung der visuellen Information konnte man die Frage stellen, ob es entsprechende rezeptive Felder der Farbe gibt, und die Antwort lautet Ja. Sie stellen dann auch den Mechanismus dar, den Hering 1878 postulierte, als er von Opponenten-Zellen der Farbwahrnehmung sprach.
Wie die neurophysiologische Forschung der siebziger und achtziger Jahre gezeigt hat, gibt es unter anderem «Rot-Grün»-Ganglien im Gehirn, die erregt werden, wenn im Zentrum des dazugehörigen rezeptiven Feldes Rot und am Rand Grün erscheint. Rot an der Peripherie hemmt solch eine Nervenzelle ebenso wie Grün im Zentrum. Grün an der Peripherie hingegen sorgt für ein Nervensignal.
Entsprechend haben sich auch «Blau-Gelb»-Ganglien gefunden, und zusammen mit den erwähnten «On»- und «Off-Zentrum»-Zellen haben wir somit die physiologische Entsprechung der von Hering vorhergesagten drei Opponenten-Prozesse gefunden, nämlich Rot-Grün, Blau-Gelb und Schwarz-Weiß. (Wenn wir nun ganz genau sein wollten, müßten wir darauf hinweisen, daß Rot, Grün und Blau direkt durch ihre Zapfen vermittelt werden, während das Gelb als gemischtes Signal aus dem Empfang von lang- und mittelwelligem Licht zustande kommt. Aber damit ändert sich nichts an der Tatsache, daß Gelb als unvermischter Eindruck ins Gehirn kommt, gerade so, wie wir es täglich wahrnehmen.)
Mit diesen Opponenten-Zellen haben wir zwar eine zweite Stufe der visuellen Verarbeitung von Farbe erklommen, aber niemand kann sagen, wie viele auf dem Weg ins Bewußtsein noch zu entdecken und zu bewältigen sind. Zurzeit steht nur fest, daß sich die Opponenten- Zellen «weiter oben» mit Neuronen verschalten, die in der Großhirnrinde liegen und als eine Art von Doppelt-Opponenten-Zellen funktionieren. Das heißt, einige von ihnen werden beispielsweise dann aktiv, wenn ihr rezeptives Feld im Zentrum zwar Rot, aber gerade kein Gelb und an der Peripherie nur Gelb und kein Rot empfängt.
Diesen ersten physiologischen Erkundungen der höheren Stufen bei der Farbverarbeitung werden weitere folgen. Das Farbensehen bietet noch viele Phänomene, die auf dieser Ebene der Moleküle und Zellen unerklärt sind, zum Beispiel den erwähnten Simultankontrast. Der größte Preis, der zu gewinnen ist, wird demjenigen gebühren, der erklären kann, wie das Gehirn es schafft, den Farbeindruck eines Blattes etwa bei den vielseitig wechselnden äußeren Lichtbedingungen konstant zu halten. Weißes Papier sieht weiß aus, wenn wir es beim Mittagslicht oder in der untergehenden Sonne oder im Schein einer Taschenlampe betrachten. Farben machen evolutionär gesehen natürlich nur Sinn, wenn es die skizzierte Konstanz der Farben gibt.
Datierung: Der amerikanische Farbtheoretiker Arthur Pope schlug seinen Farbenkörper 1929 zur praktischen Verwendung vor.
Herkunft: USA
Grundfarben: Rot, Gelb und Blau
Form: Farbkörper aus Dreiecken gebildet, modifizierter Doppelkegel
Referenzsysteme: Sowerby — Hayter — Helmholtz — Ostwald — Boring — Luther & Nyberg — Johansson — Hesselgren — N.C.S.
Literatur: A. Pope, «Tone relations in painting», Cambridge 1922; A. Pope, «An introduction to the language of drawing and painting», Cambridge 1929; A. Pope, «The Painter’s Terms», Cambridge 1929.