Rood war an den Farben sowohl aus technisch-wissenschaftlicher als auch aus künstlerischer Sicht interessiert, und beide Aspekte finden sich auch in seinen Versuchen wieder, den Farben eine systematische Ordnung zu geben. Er stellt neben einem Doppelkegel mit einer weißen und einer schwarzen Spitze einen «wissenschaftlichen» Farbenkreis vor, den er aufgrund von Lichtversuchen mit rotierenden Scheiben konstruiert hat. Ein Farbpunkt wird dabei so plaziert, daß man auf der gegenüberliegenden Seite exakt seinen komplementären Partner findet. (Ausführlicher Text)
Der Amerikaner Nicholas Odgen Rood (1831-1902) hat Physik studiert und dabei während eines Aufenthaltes in Deutschland auch mit dem Malen angefangen. Er war also an den Farben sowohl aus technisch-wissenschaftlicher als auch aus künstlerischer Sicht interessiert, und beide Aspekte finden sich auch in seinen Versuchen wieder, den Farben eine systematische Ordnung zu geben. 1879 erscheint sein Buch «Modern Chromatics», das im Untertitel «Anwendungen für Kunst und Industrie» verspricht und in dem der Autor ankündigt, «auf einfache und umfassende Weise die Tatsachen vorzustellen, auf denen die künstlerische Verwendung von Farbe beruht.»
Rood schlägt in seinem Farbsystem erstmals konzentrische Farbkreise vor, die von den drei additiven Primärfarben Rot, Grün und Blau ausgehen und insgesamt 12 äußere Segmente gleicher Größe aufweisen (hier nicht gezeigt). Ihre Farben sind Rot, Orange, Orange-Gelb, Gelb, Grün-Gelb, Grün, Grün-Blau, Cyan-Blau, Blau, Ultramarin-Blau, Violett und Purpur. Die Kreise werden nach innen hin blasser (pale), und im Zentrum der Ringe befindet sich schließlich Weiß.
(Als Mittel zur Standardisierung der Farben schlägt Rood noch zusätzlich einen zylindrischen Farbkörper vor, dessen kreisförmiger Querschnitt die erwähnten zwölf Farbtöne aufnimmt, die entlang der Höhe von Weiß nach Schwarz variieren.)
Neben diesem eher künstlerischen Farbenkreis hat Rood auch eine wissenschaftliche Ausführung angefertigt, die wir hier zeigen. Als Physiker interessiert ihn die additive Farbmischung, und er nimmt die von James C. Maxwell ersonnene Farbscheibe zu Hilfe, um die genauen Positionen von einzelnen Farben zu bestimmen. Farbmischungen werden durch das Drehen einer Farbscheibe erzielt, auf der die drei Primärfarben mit unterschiedlichem Anteil (Fläche) vertreten sind. Rood legt dabei die folgenden (eher willkürlichen und nicht weiter definierten) Farbpositionen fest, wobei er sorgfältig darauf achtet, daß jedem Farbpunkt ein komplementärer genau gegenüberliegt (die Zahlen am äußeren Umfang sind die Abstände zwischen den eingetragenen Punkten in Grad):
Grün (Verde), Esmaraldgrün (Verde smeraldo), sehr grünliches Blau (Blu molto verdastro), grünliches Blau (Blu verdastro), grünliches Cyan-Blau (Blu Cyan verdastro), Cyan-Blau 2 und 1 (Blu Cyan), Blau (Blu), natürliches Ultramarinblau (Blu oltremare naturale), künstliches Ultramarinblau (Blu oltremare artificiale), Violett (Violetto), Purpur (Porpora), Purpurrot (Porpora rosso), Karminrot (Carminio), spektrales Rot (Rosso spettrale), Zinnober (Vermiglione), Orangerot (Minio), Orange (Arancio), Gelborange (Giallo arancio), Gelb (Giallo), grünliches Gelb (Giallo verdastro), Grüngelb (Verde giallo) und zurück zum Grün (Verde).
Wenn man Roods Kreis streckt und als Säule darstellt, erhält man eine Art psychologisches Spektrum, das beim Vergleich mit dem physikalischen (prismatischen) Spektrum (linke Säule) die unterschiedliche Gewichtung der Farben zeigt. (Die Linien markieren in diesem Fall die Wellenlängen, die den bezeichneten Farben zugeordnet werden.) Das Rot, das uns bei der Wahrnehmung so sehr beeindruckt und entsprechend viel Platz in der rechten Säule beansprucht, bleibt als physikalische Erscheinung hübsch am Rande. Was für uns zuerst kommt, kommt noch lange nicht der Sache nach zuerst.
Datierung: 1879 legt der amerikanische Physiker Nicolas Odgen Rood seine Forschungen und Einsichten zur physiologischen Optik vor.
Herkunft: USA
Grundfarben: Rot, Grün und Blau
Form: Kreis
Referenzsysteme: Maxwell — Munsell
Literatur: N. O. Rood, «Modern Chromatics with Application to Art and Industry», Chicago 1879; F. Birren, «Principles of Color», New York 1969; A. Hope und M. Walsh, «The Color Compendium», New York 1990.