Das Interesse von Helmholtz und Maxwell richtete sich auf die Frage, mit welchem Diagramm man am besten die beobachteten Tatsachen der Farbmischung erklären könnte. Weil man eine Dreifarbentheorie besaß und akzeptierte, orientierte man sich an der Geometrie des Dreiecks, ohne an irgendwelche phänomenologische Gesichtspunkte zu denken. Helmholtz schlug allerdings eine Abweichung von der bei Maxwell zu findenden gleichseitigen Konstruktion vor, nachdem er bemerkt hatte, daß die Spektralfarben unterschiedliche Abstände zu Weiß haben müssen, welches im Zentrum des Farbendreiecks zu liegen hat. (Ausführlicher Text)
Hermann von Helmholtz (1821-1894) beherrschte die Naturwissenschaft seiner Zeit — in doppelter Hinsicht. Er verstand und dominierte sie zugleich. Die erste große Leistung gelang bereits dem 26jährigen, der 1847 das Prinzip von der Erhaltung der Energie formulierte. Helmholtz zeigte zudem große praktische Begabung, als er den Augenspiegel erfand, und seine «Lehre von den Tonempfindungen» (1862) gibt eine Theorie der Kombinationstöne an, analysiert die Klangfarbe der Instrumente und wagt sich sogar an eine Harmonielehre heran.
Zwischen 1856 und 1867 erschien sein berühmtes «Handbuch der physiologischen Optik», das noch 60 Jahre später ins Englische übersetzt wurde und in aller Welt eine große Wirkung entfaltete. In diesem Werk stellte Helmholtz die drei Variablen vor, die heute immer noch verwendet werden, um eine Farbe zu charakterisieren: den Farbton, die Sättigung und die Helligkeit, und er wies zum ersten Mal deutlich darauf hin, daß ein Unterschied zwischen den Farben besteht, die Newton in seinem Spektrum beobachtet hat, und den Farben, die mit Hilfe von Pigmenten auf eine weiße Unterlage gebracht werden. Die Spektralfarben leuchten stärker und liegen gesättigter vor. Sie mischen sich additiv, während die Pigmente dies subtraktiv tun, und in beiden Fällen gelten andere Regeln der Kombination.
Helmholtz vertrat in Anlehnung an Thomas Young eine Dreifarbenlehre, und er wies nach, wie jede Farbe als Gemisch von drei grundlegenden Farbempfindungen — zum Beispiel Rot, Grün und Blauviolett als sogenannten «einfachen Farben» — zusammengesetzt werden kann. Der große Physiologe unterbreitete in seinem Handbuch nun mehrere Vorschläge, wie diese einfachen (oder reinen) Farben — und mit ihnen das ganze Spektrum — anzuordnen sind. Er versuchte dabei — etwas salopp formuliert, aber anschaulich verständlich — zwischen Newton und Maxwell zu vermitteln. Maxwells Dreieck ist zu klein, um die gesättigten Spektralfarben aufzunehmen, und Newtons Kreis verweist nicht explizit auf die Dreifarbentheorie, die doch eine tiefe Einsicht enthält.
Helmholtz unternimmt es zunächst, die Spektralfarben auf einer gebogenen Linie anzuordnen, um so ihre Mischungen besser zu verstehen. Er stellt sich eine Art Kraftfeld der Farben vor, das Farbenfeld, in dessen Mitte analog zum Gravitationszentrum Newtons das Weiße Platz finden soll. Nun hatte Helmholtz bemerkt, daß man zum Beispiel nicht gleichviel von Violett-Blau und Gelb braucht, um Weiß zu erhalten, und entsprechend ordnete er die Farben so an, daß die komplementäre Farbe, von der mehr benötigt wird, einen längeren Hebelarm bekommt.
Einer zweiten Konstruktion von Helmholtz liegt Newtons Kreis zugrunde, in den zwei Dreiecke eingetragen werden, nachdem auf den Teil verzichtet worden ist, den die Linie zwischen Rot (R) und Violett (V) abschneidet. Diese Kappung ist nur deshalb ohne Verlust möglich, weil die beiden verbundenen Farben die beiden Enden des Spektrums markieren. (Diese Linie wird uns später im CIE-System als Purpurlinie erneut begegnen.) In der verbleibenden Figur sieht man zwei Dreiecke, deren Eckpunkte durch die zwei möglichen Kombinationen aus jeweils drei Grundfarben bestimmt wurden, zwischen denen Thomas Young zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschwankt hatte. Das Dreieck mit den Eckpunkten Violett, Rot und Grün (VRG) enthält dann alle Farben, die durch Mischungen aus Violett, Rot und Grün zustande kommen, und entsprechendes gilt für das Dreieck mit den Eckpunkten Rot, Gelb und Cyanblau (RYC). In der Figur zeigt sich deutlich, wie zuvor schon bei Maxwells Dreieck, daß auf diese Weise nicht alle Farben zu erfassen sind und große Teile des Farbenkreises unerreicht bleiben.
Nun bestand allerding zu Helmholtz’ Zeiten kein Zweifel an der Dreifarbentheorie, was den Schluß nahelegte, daß es doch ein (ideales) Dreieck geben mußte, in dem alle Mischfarben des Spektrums ihren Platz finden. Für seine Konstruktion greift Helmholtz auf die erste Kurve der einfachen Farben zurück, die er unter der Annahme gezeichnet hatte, daß Lichtmengen unterschiedlicher Farbe als gleich angesehen werden, wenn sie für bestimmte Intensitäten dem Auge als gleich hell erscheinen. Ausgehend von den reinen Grundfarben Rot und Violett verschiebt er — ohne weitere Erläuterung — die Wahrnehmung von reinem Grün zu einem Punkt A und erhält dabei ein Dreieck AVR, in dem nun alle Farbwahrnehmungen enthalten sind, die für einen Beobachter überhaupt möglich werden.
Helmholtz weist anschließend darauf hin, daß seiner Ansicht nach das reine Rot und das reine Violett des Spektrums als einfache Wahrnehmung einer fundamentalen Farbe nicht vorkommen, weshalb die untere Linie zu den Werten V/ und R/ hin verschoben werden muß. Die Farben, die im normalsichtigen Auge direkt durch äußeres Licht erzielt werden können, liegen dann auf der geschlossenen Kurve V/ICGrGR/ (die Abkürzungen weisen auf Indigo, Cyan, Grün und Gelb hin). Der Rest des Dreiecks enthält Farben, die weiter als die gerade erwähnten vom Weiß weg liegen und also gesättigter sind als alle bekannten Farben.
Das Interesse von Helmholtz und Maxwell richtete sich auf die Frage, mit welchem Diagramm man am besten die beobachteten Tatsachen der Farbmischung erklären könnte. Weil man eine Dreifarbentheorie besaß und akzeptierte, orientierte man sich an der Geometrie des Dreiecks, ohne an irgendwelche phänomenologische Gesichtspunkte zu denken. Die Frage, wo in dem jeweils verwendeten Dreieck der Ort der Spektralfarben zu suchen ist, wurde schlüssig erst am Ende des 19. Jahrhunderts beantwortet, als A. König und C. Dieterici «Die Grundempfindungen in normalen und anomalen Farbensystemen und ihre Intensitätsverteilung im Spektrum» untersuchten und den Linienzug angaben, den wir in Maxwells Dreieck eingetragen haben. Dies ist wissenschaftlich nur dann korrekt, wenn wir uns ein ideales Dreieck vorstellen, dessen Farben gesättigter als die Spektralfarben sind. (Der Buchstabe E markiert den Punkt gleicher Energie, was man auch mit Weiß übersetzen kann.) Die Ergebnisse der Spektralmischungen machten dabei deutlich, wie einfach es sich Newton gemacht hatte, als er annahm, daß Mischfarben weniger gesättigt sind, wenn ihre Bestandteile in der Reihe der Farben weiter voneinander entfernt sind.
Die erwähnte Arbeit von König und Dieterici ist 1892 in der «Zeitschrift für Psychologie» erschienen. So wird deutlich, daß die Physiker zu dieser Zeit das Primat für die Farben verloren hatten. Die Empfindung forderte endlich ihr Recht, und ohne ihren Beitrag bleibt das technische Spiel mit der Farbe allzu sehr in geometrischen Konstruktionen gefangen, auch wenn es von Genies vom Schlage eines Helmholtz oder Maxwell exerziert wird.