Der Versuch wird unternommen, die wechselseitigen Beziehungen der Farben mit Hilfe einer dreieckigen Pyramide zu veranschaulichen. Das Basisdreieck ist im Zentrum schwarz und trägt an den Eckpunkten die Grundfarben Zinnober, Königsgelb und Bergblau. In sieben Etagen geht es mit zunehmender Helligkeit nach oben bis zur Spitze, die Weiß ist. Lambert glaubte, sein System könne Textilhändlern Antwort auf die Frage geben, ob sie mit allen Farben ausgestattet waren. Außerdem hoffte er, daß die Färber und Drucker seiner Zeit sich Anregungen für ihre Mixturen holen würden. (Ausführlicher Text)
Der elsässische Mathematiker und Naturforscher Johann Heinrich Lambert (1728-1777) gilt unter Physikern als Begründer der Lehre von der Lichtmessung, die damals noch «Photometria» hieß. Um 1760 stellte Lambert die heute nach ihm benannten Entfernungsgesetze der Beleuchtungsstärke auf, und er behandelte das Reflexionsvermögen und die Durchlässigkeit von Oberflächen. Unter Astronomen berühmt sind seine «Cosmologischen Briefe», die er als Mitglied der Akademie Friedrichs des Großen in Berlin mit der Absicht verfaßte, den Aufbau des Weltalls zu erklären (von dem damals nicht einmal bekannt war, wie ausgedehnt unsere Galaxie, die Milchstraße, ist). Bei seinen Überlegungen griff Lambert auf Messungen zurück, die Tobias Mayer in Göttingen gelungen waren, und dabei lernte er auch dessen Farbendreieck aus dem Jahre 1758 kennen, für dessen Publikation er sich einsetzte. Lambert sah, daß Mayer zwar einen Weg gefunden hatte, viele der möglichen Farben zu konstruieren und zu benennen, er verstand aber zugleich auch, daß dem Dreieck allein die Tiefe fehlte, um alle möglichen Farben zu erfassen.
Bei seinem eigenen Versuch, den gesamten Reichtum der natürlichen Farben in einem geometrischen Körper unterzubringen, schlug er daher eine Pyramide vor, die durch eine Folge von Dreiecken aufgebaut wird (Abb. historisches System). Sie unterscheiden sich sowohl der Größe als auch der Stellung des Schwarzen nach von den Dreiecken, die Mayer vorgelegt hatte.
Die Ecken des Basisdreiecks von Lambert werden wie bei seinem Vorbild mit Zinnober, Königsgelb und Bergblau besetzt (hier angegeben mit Y für Gelb und R für Rot). Je zwei Grundfarben werden (mit variierenden Anteilen) zu sieben Tönen entlang den Seiten gemischt, und im Inneren tragen alle drei zur Farbe der jeweiligen Flächeneinheit bei. Insgesamt 45 Farbtöne entstehen auf diese Weise im untersten Dreieck, über das sich die restlichen erheben, die sich nach oben verjüngen und heller werden. In ihnen sind 28, 15, 10, 6 und zuletzt noch 3 Felder enthalten. Insgesamt bringt Lambert 112 Farben beziehungsweise ihre Mischungen in der Pyramide unter, deren Spitze weiß ist.
Mit dieser Konstruktion gelingt es, die verschiedenen «Tertiärfarben» in einem System einzuführen und sie in eine logische Verbindung mit den neutralen Grauwerten zu bringen, die entlang der zentralen Achse des Farbkörpers zu finden sind. Im Zentrum des untersten Dreiecks findet sich die Farbe, die entsteht, wenn alle drei Grundfarben gemischt werden, also Schwarz. Auf dieser Ebene können mehr Farben unterschieden werden als dort, wo das Weiß vorherrscht. Diese Beobachtung erklärt, warum das System der Farben sich nach oben hin verjüngen, also eine Pyramide werden muß.
Lambert glaubte, sein System könne Textilhändlern Antwort auf die Frage geben, ob sie mit allen Farben ausgestattet waren oder ob sich zwischen den vorhandenen Waren einige Lücken befänden. Außerdem hoffte er, daß die Färber und Drucker seiner Zeit sich Anregungen für ihre Mixturen holen würden.
Als Naturforscher zielte Lambert darauf ab, mit der Pyramide alle Farben identifizieren und klassifizieren zu können, die sich in Pflanzen oder in Tieren zeigen. Dieses Vorhaben kann natürlich nur gelingen, wenn ein Mischsystem, das mit den drei Farben Gelb, Rot und Blau operiert, in der Lage ist, jede Farbe zu erzeugen. Dies ist leider nicht möglich. Es gibt viele Nuancen von sehr farbigem Grün, Orange und Violett, die nicht dadurch zu erzielen sind, daß drei Primärfarben subtraktiv gemischt werden.
Datierung: Der Astronom J. Heinrich Lambert legt 1772 das erste dreidimensionale Farbsystem vor. Er orientiert sich dabei an den Arbeiten von Tobias Mayer.
Herkunft: Deutschland
Grundfarben: Zinnober, Königsgelb und Bergblau
Form: Dreieck
Anwendung: Farbbestimmungen bei Textilien
Referenzsysteme: Mayer — Sowerby — Runge — Bezold — Wundt
Literatur: J. H. Lambert, «Beschreibung einer mit dem Calaunischen Wachse ausgemalten Farbenpyramide», Berlin 1772; H. Matile, «Die Farbenlehre Philipp Otto Runges», 2. Aufl., München 1979; W. Spillmann, «Color Systems», in H. Linton, Color Consulting, New York 1992, S. 169 – 183.