Sein Farbendreieck wurde erst 1775, nach seinem Tode, durch den Göttinger Physiker Georg Christoph Lichtenberg veröffentlicht, und zwar auf eine Anregung von Johann Heinrich Lambert, der es drei Jahre zuvor benutzt hatte. Ein Farbendreieck, das mit den drei Grundfarben Zinnober, Königsgelb und Bergblau arbeitet und alle Mischungen anführt, bei denen einer Ausgangsfarbe mindestens ein Zwölftel einer anderen hinzugefügt worden sind. Schwarz und Weiß werden als Vertreter von Licht und Finsternis berücksichtigt, die Farben entweder aufhellen oder verdunkeln. (Ausführlicher Text)
Im Jahre 1758 — mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen von Newtons «Opticks» — hielt der deutsche Mathematiker und Astronom Tobias Mayer (1723-1762) vor der Göttinger Akademie der Wissenschaften einen Vortrag mit dem Titel «De affinitate colorum commentatio» (Abb. Historisches System). Mayer versuchte hierin, die Zahl der mit dem Auge wahrnehmbaren Farben exakt zu ermitteln. Er operierte mit Rot, Gelb und Blau als Grundfarben und wählte dabei als ihre Repräsentanten unter den Pigmenten Zinnoberrot, Königsgelb und Bergblau. Schwarz und Weiß werden als Vertreter von Licht und Finsternis berücksichtigt, die Farben entweder aufhellen oder verdunkeln.
Mayer ist klar, daß sehr kleine Farbunterschiede vom Auge nicht wahrgenommen werden können, weshalb der Abstand zwischen Mischungen nicht beliebig klein gewählt werden darf. Um eine Grundlage für Berechnungen zu haben, nimmt Mayer — wie in einer Oktave — zwölf Stufen zwischen zwei Grundfarben an, und er postuliert, daß ein solches Zwölftel einer Farbe beigegeben werden muß, um die dabei neu entstehende Mischfarbe von der reinen Ausgangsfarbe unterscheiden zu können. Er führte dann folgende naheliegende Notation ein: Zinnober wird mit r12 (12 Einheiten Rot), Königsgelb mit g12 (12 Einheiten Gelb) und Bergblau mit b12 (12 Einheiten Blau) bezeichnet. Mischungen heißen zum Beispiel r6g6 (6 Einheiten Rot und 6 Einheiten Gelb ergeben Orange), b6g6 (6 Einheiten Blau und 6 Einheiten Gelb ergeben Grün) oder r6b6 (6 Einheiten Rot und 6 Einheiten Blau ergeben Violett). Indem Mayer die reinen Farben r12, b12 und g12 zu Eckpunkten eines Dreiecks machte, konstruierte er eine geometrische Figur, die systematisch angab, wie 91 Buntfarben zustande kamen, die dann zum Beispiel r4b5g3 oder r2b8g2 hießen.
Das Farbendreieck Tobias Meyers wurde erst 1775, nach seinem Tode, durch den Göttinger Physiker Georg Christoph Lichtenberg veröffentlicht und in Verbindung mit anderen «Opera inedita» herausgebracht, und zwar auf Anregung von Johann Heinrich Lambert, der es drei Jahre zuvor benutzt hatte (Abbildung System Lambert). Mayer hatte zwar nur eine ebene Figur mit 91 Kästchen gezeichnet, er hatte aber am Ende seiner Vorlesung noch erwähnt, daß jede der konstruierten (gemischten) Farben durch das Zusetzen von bis zu vier Teilen Weiß oder Schwarz ins Helle oder Dunkle verändert werden kann. Damit beläuft sich in seinem System die Zahl der theoretisch unterscheidbaren Farben auf 2 x 5 x 91, also auf 910. Den Platz, den sie einnehmen könnten, zeigt der abgebildete Körper mit den übereinanderliegenden Dreiecken, der von Mayer selbst nur beschrieben worden ist. Das Grunddreieck befindet sich dabei in der Mitte. In seinem Zentrum ist Grau. Nach unten wird Schwarz beigemischt (Black, BK), nach oben kommt Weiß hinzu (White, W). R steht für Red (Rot), Y steht für Yellow (Gelb) und C steht für Cyanblue (Cyanblau).
Die Konstruktion geht allerdings nicht auf, sie enthält eine Anomalie. Das graue Zentrum des Ausgangsdreiecks ist bereits so dunkel, daß die unter ihm liegenden zentralen Bereiche nur Wiederholungen sein können.
Mayer ist in Astronomenkreisen berühmt für seine exakten Messungen, und er hat sich große Verdienste mit Methoden erworben, die es ermöglichen, Fehler von Instrumenten aufzudecken. Seine bedeutendste Leistung gelang ihm 1760, als er nachweisen konnte, daß Fixsterne gar nicht so fixiert sind, wie man bis dahin angenommen hatte. Vielmehr kommt ihnen eine Eigenbewegung zu. Diese Beobachtung nahm der «Theorie des Himmels», die der Philosoph Immanuel Kant 1755 vorgelegt hatte, einiges an Wirkung. Sie ermutigte dafür den bereits erwähnten elsässischen Naturfoscher Lambert, ab 1761 in «Cosmologischen Briefen» eine neue Theorie des Weltalls zu versuchen. Mayer brachte also zweimal Bewegung in das Weltbild seiner Zeit, bei den Sternen ebenso wie bei den Farben.
Datierung: 1758 versucht der Mathematiker Tobias Mayer, die Zahl der Farben zu bestimmen, die das Auge exakt unterscheiden kann.
Herkunft: Deutschland
Grundfarben: Rot, Gelb und Blau
Form: Dreieck
Referenzsysteme: Lambert — Benson
Literatur: T. Mayer, «De affinitate colorum commentatio», Göttingen 1775; J. W. von Goethe, «Geschichte der Farbenlehre», Zweiter Teil, München 1963; K. T. A. Halbertsma, «A History of the Theory of Colour», Amsterdam 1949.