Vier Grundfarben Gelb, Rot, Blau und Grün werden auf den Seiten eines Quadrats angeordnet, dessen Diagonalen die Mischungen hervorbringen. Sein Quadrat ist das letzte «Hindernis» auf dem Weg zu Newton, der seit 1670 mit optischen Experimenten befaßt war und der künftigen Ordnung der Farben eine grundlegend physikalische Denkweise unterlegt. An dieser Stelle endet zunächst die alte Betrachtung, derzufolge Farben als Modifikationen des weißen Lichtes durch die Beimengung von Dunkelheit entstehen. Johann Wolfgang von Goethe wird diesen Gedanken der Trübung später allerdings mit allem Nachdruck wiederbeleben. (Ausführlicher Text)
Zu der Zeit, in der am Ende des 17. Jahrhunderts die alte Farbordnung von Hell nach Dunkel oder von Schwarz nach Weiß verschwindet und Isaac Newton eine neue Systematik auf die Beine stellt, versucht der Engländer Richard Waller in London, ob man die Farben nicht in einem Quadrat anordnen könnte. Er publiziert seine Ordnungsversuche in der Absicht, einen «Standard of Colours» zu geben. Wir stellen sein System mit vier Grundfarben dar — Gelb (Yellow, Y), Rot (Red, R), Blau (Blue, B) und Grün (Green, G) -, die nicht an den Ecken, sondern auf der jeweiligen Seitenmitte liegen. In die Felder des entstehenden Netzes können dann die resultierenden Mischungen eingezeichnet werden. Waller bestimmte diese Mitteltöne nun nicht nach seinem Gefühl, er ging vielmehr nach dem Gewicht vor, das heißt, er mischte die jeweiligen Ausgangspigmente im Gewichtsverhältnis 1:1. Zerlegt man das Wallersche Quadrat in seine primären und sekundären Linien (unten links beziehungsweise rechts), zeigen sich die Diagonalen als Orte der Synthese. Die Mischfarben — Orange (Orange, O), Gelbgrün (Yellowgreen, YG), Blaugrün (Bluegreen, BG) und Violett (Violet, V) — resultieren, physikalisch gesprochen, aus den Kräften, die die reinen Farben aufspannen.
Waller veröffentlicht sein System um 1686 unter dem Titel «Catalogue of Simple and Mixt Colours». Sein Quadrat ist das letzte Hindernis auf dem Weg zu Newton, der seit 1670 mit optischen Experimenten befaßt war und der künftigen Ordnung der Farben eine grundlegend physikalische Denkweise unterlegt. An dieser Stelle endet zunächst die alte Betrachtung, derzufolge Farben als Modifikationen des weißen Lichtes durch die Beimengung von Dunkelheit entstehen. (Johann Wolfgang von Goethe wird diesen Gedanken der Trübung später allerdings mit allem Nachdruck wiederbeleben.) Die Idee, daß Farben keine Abänderungen des weißen Lichtes, sondern vielmehr seine ursprünglichen Bestandteile sind, wurde durch Versuche mit einem Prisma gewonnen. Einen Glaskörper dieser Art hatte zum ersten Mal der böhmische Physiker Marcus Marci im Jahre 1648 benutzt. Er ließ Sonnenlicht in ein dunkles Zimmer mit einer kleinen Öffnung fallen und lenkte den resultierenden Strahl anschließend durch ein Prisma. Dabei sah er eine Folge von Farben, die wir heute ein Spektrum nennen: Rot, Weiß, Violett. Marci sah, daß die angebliche Modifikation vom Winkel abhing, unter dem das Licht abgelenkt wurde, und er bemerkte auch, daß das farbige Licht selbst anschließend nicht weiter zerlegt werden konnte.
Etwa zur gleichen Zeit (1650) entdeckte F. M. Grimaldi in Bologna, daß kleine Öffnungen farbige Lichterscheinungen nach sich ziehen, die wir heute durch die sogenannte Beugung erklären. Die Physik der Farben kam dann — vor Newton — durch Robert Hooke richtig in Schwung, der damit begann, die Farben zu untersuchen, die entstehen, wenn Licht an dünnen Glimmerblättchen beziehungsweise zwischen Glasplatten gebrochen wird. Hooke machte in seinem Werk «Mikrographia» auch schon kühne Annahmen über die Natur des Lichtes. Für ihn lief hier eine Wellenbewegung ab, und eine Wellenfläche, die senkrecht auf dem Strahl steht, produzierte seiner Ansicht nach Weiß. Stand die Wellenfläche schief, tauchte die Fähigkeit zur Färbung auf, die am Rande eines Lichtbündels wirksam wird. Farbe als Schiefe einer Wellenfläche — das konnte nur einem Physiker einfallen, aber die Vertreter ihrer Zunft hatten auch anschaulichere Ideen, und sie werden uns auf einigen folgenden Tafeln beschäftigen.
Datierung: Das System wird 1686 in einem «Katalog der einfachen und gemischten Farben» vorgestellt.
Herkunft: England
Grundfarben: Gelb, Rot, Blau und Grün
Form: Quadrat
Referenzsysteme: Kircher — Newton — Goethe
Literatur: R. Waller, «A catalogue of simple and mixt colours», Philosophical Transactions of the Royal Society, XVI, 1686; F. Gerritsen, «Entwicklung der Farbenlehre», Göttingen 1984; John Gage, «Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart», Ravensburg: Maier, 1994, Seite 169 (kommentierte Erwähnung).