Athanasius Kircher werden wir im Bereiche der Metasysteme noch einmal in einer spannenden kosmologischen Konstruktion begegnen, in welcher sich ein Skarabäus zwischen den Planeten bewegt. Sein System zeigt ein lineares Diagramm auf trichromatischer Grundlage mit Rot, Gelb und Blau als Grundfarben. Mögliche Mischungen werden durch halbe Kreisbogen angegeben. Kircher hat sich auch gefragt, warum der Himmel blau sei und ist zu keiner befriedigenden Antwort gelangt. Auf der Tafel findet sich die physikalische Erklärung des blauen Himmels, von der Kircher nicht wissen konnte. (Ausführlicher Text)
Athanasius Kircher (1601-1680) werden wir später noch einmal in einer spannenden kosmologischen Konstruktion begegnen, in welcher sich ein Skarabäus zwischen den Planeten bewegt (Astrologische Verbindungen). Kircher, der aus Fulda stammte, war ein vielseitiger Mann und hat unter anderem Mathematik und Hebräisch unterrichtet, die Hieroglyphen zu entziffern versucht und den Brennspiegel erfunden. Über 40 Werke sind von ihm erhalten, von denen er eines ganz speziell den Farben widmete. 1646 erschien «Die große Kunst von Licht und Schatten» («Ars magna lucis et umbrae»). Der Titel weist mit den ersten beiden Worten unübersehbar auf die Lullische Kunst hin, die noch beschrieben wird (Ars magna). Kein Wunder also, wenn sein System eine konsequente Vorstellung von Mischfarben liefert, die durch halbe Kreisbögen angegeben werden.
Grundlage aller Kombinationen ist ein lineares Diagramm, das selbst — neben Weiß («albus») und Schwarz («niger») — von drei Farben aus operiert, und zwar Gelb («flavus»), Rot («rubeus») und Blau («caeruleus»). Wir wollen hier nicht alle Arrangements aufzählen und auch nicht versuchen, die vielen neuen Namen zu übersetzen — subrubeus etwa oder fuscus beziehungsweise incarnatus. Wir weisen aber auf die besondere Position des Grün («virides») hin, das wie das Rot im Zentrum steht, allerdings nicht auf der Ebene der reinen, sondern der gemischten Farben. Grün befindet sich dort, wo es zur Überschneidung von Gelb und Blau kommt.
Wenn man die vom Weißen ausgehenden Bögen nach oben und die zum Schwarzen hinlaufenden Kurven nach unten zeichnet (Abbildung Interpretation), entsteht ein Gebilde, das an das chinesische Yin-Yang-Symbol erinnert. (Man braucht nur den Weg durch Rot zu behalten und die beiden Linien durch Gelb und Blau wegzulassen.) Man kommt — so zeigt diese Darstellung — vom Weißen und Schwarzen zu allen Farbpunkten des Systems. Damit wird die Grundposition des Autors sichtbar. Kircher betrachtet Farbe nämlich als «des Lichts und des Schatten echte Ausgeburt», wie er im Vorwort zu seinem erwähnten Buch von 1646 schreibt. Farbe ist ein «beschattetes Licht», und «alles, was sichtlich in der Welt ist, ist es nur durch ein schattiges Licht oder einen lichten Schatten».
Kirchers Buch setzt sich aus acht Kapiteln zusammen, die zum Beispiel von der Mannigfaltigkeit der Farben handeln, auf die Gefärbtheit durchsichtiger Steine eingehen und nach den Farben der Pflanzen und Tiere fragen. Warum, so will Kircher wissen, sehen vierfüßige Tiere nicht goldfarben aus, und warum nehmen Vögel und Insekten alle Arten von Farben an. Kircher überlegt auch, warum der Himmel blau erscheint, ohne allerdings zu einer befriedigenden Klärung zu gelangen.
Heute wissen wir, daß Fragen, die mit «Warum» beginnen, immer zwei Arten von Antworten zulassen, und nur eine von denen ist gewöhnlich zu finden. Dieser mechanische Aspekt der Frage, warum der Himmel blau ist, kann heute von der Physik beantwortet werden. Sie tut dies, indem sie darauf hinweist, daß das Licht, das uns vom Himmel erreicht, Streulicht ist. Die Strahlen der Sonne treffen auf die Partikel der Atmosphäre und werden von ihnen gestreut. Wenn man diesen Vorgang im Detail analysiert, stellt sich heraus, daß die unterschiedlichen Komponenten des Lichtes unterschiedlich gestreut werden. Es ist vor allem blaues Licht, das dabei überwiegt (was physikalisch dadurch zustande kommt, daß Blau eine hohe Frequenz hat), und zwar in einem derartigen Ausmaß, daß wir nur noch das Blaue überhaupt wahrnehmen. (Wer es genauer wissen will: Die Physiker zeigen, daß die Intensität des Streulichts proportional zur vierten Potenz der Frequenz ist.) Deshalb ist der Himmel blau, zumindest im Physikunterricht.
Kircher hatte natürlich solch eine Antwort nicht im Sinn. Und er hätte sie nicht verstanden, wenn man sie ihm vorgetragen hätte. Die Physik des Lichtes und der Farben ließ zu seiner Zeit noch auf sich warten, aber es dauert nicht mehr lange, bis eine erste Optik entsteht, mit der wir auch heute noch etwas anfangen können. Wir werden sie in Angriff nehmen, wenn Sir Isaac Newton das farblose Sonnenlicht durch ein Prisma in Farben zerlegt. Das Prisma und seine Wirkung auf das Licht waren Kircher schon bekannt. Er deutet seine Farben, indem er sagt, die hellsten Farben kommen beim Durchgang durch die schwächste Seite des Glases, und die dunkelsten Farben kommen beim Durchgang durch die stärkste Seite des Glases zustande. Er ist der vorläufig letzte, der die Helligkeit der Grundfarben beachtet und in sein System mit aufnimmt. Diese Farbordnung von Hell nach Dunkel geht mit Kirchers Ordnung nach über 2000 Jahren zunächst einmal verloren, und sie taucht erst im 20. Jahrhundert wieder auf.
Datierung: Das System erscheint 1646 in Rom in einem Werk über Astronomie und Optik.
Herkunft: Deutschland
Grundfarben: Neben Schwarz und Weiß Gelb, Rot und Blau
Form: Kreisbogen
Referenzsysteme: Waller — Newton — Astrologische Verbindungen — Ars Magna
Literatur: A. Kircher, «Ars magna lucis et umbrae», Rom 1646; J. W. von Goethe, «Geschichte der Farbenlehre», Erster Teil, München 1963; J. Godwin, «Athanasius Kircher – A Renaissance Man and the Quest for Lost Knowledge», London 1979; John Gage, «Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart», Ravensburg: Maier, 1994, Seite 233 (kommentierte Erwähnung).
Weiterführende Links: Jesuiten und die Wissenschaft (Loyola University of Chicago) (Englisch)