Von den fünf klassischen Texten des Konfuzianismus wurde die westliche Gedankenwelt vor allem vom «Buch der Wandlungen» beeindruckt. Etwa im 4. Jahrhundert vor Christus kommt ein Anhang hinzu, der die Idee von Yin und Yang einführt. Yin und Yang stellen die beiden komplementären Kräfte oder Prinzipien dar, die alle Aspekte und Erscheinungen des Lebens ausmachen. Der Begriff Komplementarität beschäftigt uns auch, wenn es um die entsprechenden Farben geht. Neben diesem berühmten Paar wörtlich bedeuten Yin und Yang die dunkle und helle Seite eines Hügels haben aus dem «Buch der Wandlungen» noch die 64 symbolischen Hexagramme Eingang in das westliche Denken gefunden, die aus jeweils sechs durchgehenden oder geteilten Linien bestehen. Auf der Tafel wird der Versuch unternommen, den beiden komplementären Prinzipien in der chinesischen Tradition Farben zuzuordnen und nach einer Systematik zu suchen. (Ausführlicher Text)
Das «Buch der Wandlungen» — das I Ging — ist ein altes Orakelbuch, dessen früheste Beiträge auf das 7.oder 6.Jahrhundert vor Christus zurückgehen. Diesem Werk liegen höchstwahrscheinlich vier verschiedene Formen der Weissagung zugrunde: Die erste Form stützt ihre Aussagen auf Interpretationen und Prophezeiungen der bäuerlichen Welt. Die zweite basiert auf dem Verfahren, das wir als Kinder «Hölzchenziehen» genannt haben. Längere und kürzere Hölzchen werden so in den Händen gehalten, daß die Person, die zu ziehen hat, nur die Ansätze sieht, nicht aber die Länge der Hölzchen einschätzen kann. Die Symbole, die aus den gezogenen Hölzchen gebildet werden, bestehen aus längeren und kürzeren Balken, und die gezogenen Hölzchen bestimmen jetzt, welche Symbole geformt werden können. Die dritte Form der Weissagung beruht auf der Deutung der Zeichen, die auf den Schildern der Schildkröte oder auf den Schulterblättern der Säugetiere zu erkennen sind und die vierte auf der Weissagung durch Würfel, Dominosteine etc.
Etwa im 4. Jahrhundert vor Christus kommt ein Anhang dazu, der die Idee von Yin und Yang einführt. Wir können nur in unserer Sprache und mit unseren Kategorien formulieren, was diese Idee in der östlichen Gedankenwelt bedeutet: Yin und Yang stellen die beiden komplementären Kräfte oder Prinzipien dar, die alle Aspekte und Erscheinungen des Lebens ausmachen. Der Begriff Komplementarität beschäftigt uns auch, wenn es um die entsprechenden Farben geht: Yin und Yang widersprechen und ergänzen sich gleichzeitig. Sie wirken sowohl gegen- als auch miteinander. Sie sind weder zu trennen, noch zu vereinen. Beide zusammen ergeben ein Ganzes, das nicht aus Teilen besteht. Es gibt weder Yin noch Yang für sich, es gibt nur Yin und Yang zusammen. Zu Yin gehören folgende Zuordnungen: Erde und Dunkelheit, weiblich und passiv, aufnehmend. Yang wird komplementär dazu charakterisiert: Himmel und Licht, männlich und aktiv, eindringend. Dabei fällt auf, daß getreu der Konstruktion von Gegensätzen der dunkle Vokal das Helle bezeichnet und umgekehrt.
Die Harmonie von Yin und Yang, diesen seit Beginn der Schöpfung wirkenden Urkräften, wird durch einen Kreis dargestellt, in dem sich eine weiße und eine schwarze Hälfte zu umschlingen versuchen. Die Gefahr, daß eine Macht sich als überlegen erweist, besteht nicht. Jeder der beiden Bereiche trägt im Zentrum seiner Rundung die Gegenkraft längst in sich. Man sieht einen kleinen weißen oder schwarzen Kreis und versteht: das Gleichgewicht ist nicht gefährdet.
Neben diesem berühmten Paar — wörtlich bedeuten Yin und Yang die dunkle und die helle Seite eines Hügels — haben aus dem Buch der Wandlungen noch die 64 symbolischen Hexagramme Eingang in das westliche Denken gefunden. Sie bestehen aus jeweils sechs duchgehenden oder geteilten Linien beziehungsweise aus der Verknüpfung von zwei Trigrammen. Diese Dreiersätze werden von unten nach oben gebaut. Eine durchgezogene Linie repräsentiert das männliche, positive, aktive Prinzip (Yang), dem wir noch die Zahl 1 zuordnen. Eine unterbrochene Linie stellt das weibliche, negative, passive Prinzip (Yin) dar, für das wir noch die Zahl 0 einführen. Mit diesen beiden Grundbausteinen lassen sich acht verschiedene Trigramme (pa kua) zusammenstellen, von welchen jedes einen besonderen Namen, eine grundlegende Bedeutung und einen symbolischen Wert besitzt. Sie stehen für das Schöpferische, das Empfangende, das Erregende, das Abgründige, das Stillehalten, das Sanfte, das Haftende und das Heitere. Zwei Triagramme ergeben ein Hexagramm, und die 64 verschiedenen Kombinationen repräsentieren 64 kosmische Archetypen, Urbilder von Situationen. So formen die Trigramme für das Erregende und das Empfangende das Hexagramm der Begeisterung. Das I Ging hält für jedes Hexagramm eine Sammlung von Weisheiten bereit. So heißt es zum Beispiel von der Begeisterung, daß sie nie ein egoistisches Gefühl sein dürfe und nur als allgemeine Stimmung berechtigt sei, die mit anderen verbindet.
Wenn den beiden komplementären Prinzipien in der chinesischen Tradition Farben zugeordnet werden (Illustration), dann sind es das Orange für Yin und das Azurblau für Yang. Wir nutzen hier die acht grundlegenden Kombinationen des I Ging zu einer persönlichen Deutung, indem wir ihnen sechs Farben sowie die beiden Extreme Weiß und Schwarz zuordnen. Da Yang mit dem Licht verbunden ist, würde das Weiß durch die Kombination 1,1,1 zustande kommen. Das Schwarz erhalten wir dementsprechend durch das Triplett 0,0,0. Die sechs bunten Farben können in zwei Gruppen zu jeweils drei Teilen eingeteilt werden, die entweder eine oder zwei geteilte Linien (dunkle Elemente) besitzen: Das Trio aus 1,0,0 (Gelb); 0,1,0 (Azur oder Blau); 0,0,1 (Purpur) können wir als Primärfarben und 0,1,1 (Violett); 1,0,1 (Rot); 1,1,0 (Grün) als Sekundärfarben deuten.
Die acht Trigramme liefern, wenn wir sie mit den Zahlen von 0 bis 7 versehen, auch die Möglichkeit, ein magisches Quadrat zu konstruieren, bei dem alle das Zentrum duchquerenden Linien als Summe 7 ergeben, also die Zahl, die bei den Farben häufiger eine Rolle spielt.
Eine räumliche Interpretation finden wir im Kubus, der hier nicht ausschließlich die Aufgabe eines geometrischen Körpers hat, sondern vielmehr auch als linguistisches Modell dienen kann, um das universale System der Kommunikation zu verdeutlichen. Das Schwarze wäre dabei das Schweigen, die Primärfarben repräsentieren den Monolog, die Sekundärfarben den Dialog und Weiß stünde für den Chor.
7. oder 6. Jahrhundert vor Christus.