Islamische Tradition
In der
Die Dualität von Licht und Schatten bildet in der islamischen Tradition die Basis, von der her Farbe betrachtet wird. In dieser vornehmlich metaphysischen Sicht des Phänomens Farbe repräsentieren Licht und Schatten die latente Möglichkeit der himmlischen Archetypen. Die Gottheit manifestiert sich durch das Licht, welches als die Quelle des Daseins gilt. Die Gaben des Lichtes sind Schönheit, Reinheit, Brillanz, Größe, Macht und Vorteil — dieselben Bedeutungen, beinhaltet «rang» , das arabische Wort für Farbe.
Dem Menschen stehen zwei schöpferische Bereiche offen: die Alchimie als die «Wissenschaft der Umwandlung des menschlichen Geistes» (zu ihr gehört auch das Wissen um die Farbe) und die traditionellen Handwerke (Mosaik- und Miniaturkunst, Tuch-, Teppich- und Glaskunsthandwerk). Alchimie und traditionelles Handwerk stellen die beiden dem Menschen zugänglichen Methoden dar, sich mit den Prozessen der Natur auseinanderzusetzen. Diese Künste haben sowohl im religiösen wie auch im sozialen Leben des Islam symbolischen Wert, sie bewegen sich auf derselben Ebene wie das mystische Leben. Der Mosaikmaler nimmt physisch wie auch spirituell am alchimistischen Prozeß teil, und die Farbwahl symbolisiert einen bestimmten Erkenntniszustand. Die Künste so verstanden als Vereinigung des menschlichen Selbst mit der göttlichen Wirklichkeit zielen mit ihren Werken auf einen Zustand der Reinheit, der dann verinnerlicht werden soll. Dasselbe Ziel verfolgt das Mystische, auch es sucht nach einer Transformation seiner Seele. Das Mystische jedoch bewegt sich jenseits der Zeit, und nur die Welt der Farben garantiert ihm die Richtung und Orientierung.
Das islamische Farbsystem ist auf drei Ebenen angeordnet. Auf der ersten Ebene finden sich unabhängig voneinander das
Das
In der Illustration sind die drei Farben in einem Dreieck verbunden, welches die für die islamische Tradition fundamentale Konzeption von Körper, Geist und Seele widerspiegelt. Wie wir bei
Dem verbindenden (konnektiven) Dreiersystem steht das auf Gegensätzen gegründete (oppositive)
Führt man die beiden Systeme zusammen, entsteht das
Auf der großen Darstellung, welche das System der 28 Farben wiedergibt, ist der Kreis in vier Quadranten eingeteilt. Den Diagonalen sind die Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen oder die vier Himmelsrichtungen zugeordnet und der Kreislinie sind vier Mal die sieben Farben mit den ihnen entsprechenden Planetenzeichen einbeschrieben. Durch diese Teilung entsteht die identische Schreibweise wie beim System der vier Farben bzw. den zugeordneten Elementen, was verdeutlicht, daß Mikro- und Makrokosmos denselben Strukturen folgen. Bezeichnend ist in dieser Figur die Art der Abfolge der Farben: Weiß und Schwarz folgen beim Übergang zum folgenden Quadranten aufeinander, aber während sich Schwarz, dem Uhrzeigersinn folgend, am Anfang befindet, steht Weiß am Ende der Reihe. Die beiden Farben, die auf die ursprüngliche Dualität verweisen, sind an den Kreuzpunkten der Unterteilung im Quadranten verbunden und markieren Anfang und Ende. Außerdem läßt sich mit den Diagonalen, welche die vier Weiß miteinander verbinden ein zweites System drehender Achsen bezüglich der Hauptachsen bilden und hiermit eine dynamische Beschleunigung in das Modell der 28 Farben (7 mal 4) einführen.
Datierung: unbestimmt
Referenzsysteme:
Literatur: N. Ardalan und L. Bakhtiar, «The Sense of Unity The SuÞ Tradition in Persian Architecture», London 1973; John Gage, «Kulturgeschichte der Farbe: von der Antike bis zur Gegenwart», Ravensburg: Maier, 1994, 61-64.