Indische Tradition
In einigen Formen des Hinduismus und Buddhismus spielen im Rahmen okkulter physiologischer Praktiken psychische Zentren des Körpers eine Rolle. Sie tragen die Bezeichnung «cakra» oder auch «chakra», und es gibt sie traditionell in großer Zahl. In der Literatur ist von insgesamt 88.000 die Rede, die natürlich niemand alle kennen kann. Von den vielen «chakras» tragen im Hinduismus sieben (und im Buddhismus vier) eine besondere Bedeutung, und sie werden auch mit bestimmten Farben verknüpft, die allerdings von
In einigen Formen des Hinduismus und Buddhismus spielen im Rahmen okkulter physiologischer Praktiken gewisse energetische Zentren des Körpers — die chakras oder auch cakras — eine wichtige Rolle, und es gibt sie traditionell in großer Zahl. Von den vielen Chakras im menschlichen Körper tragen im Buddhismus vier und im Hinduismus sieben eine besondere Bedeutung. Diese sieben Chakras liegen unserer Tafel zugrunde, da sie auch mit bestimmten Farben verknüpft werden, die allerdings von
Der Begriff chakra stammt aus dem Sanskrit und bedeutet soviel wie «Rad» oder «Scheibe» und taucht erstmals in der vedischen Literatur um 2.000 vor Christus auf. Chakra bezeichnet auch die Lotusblüte. In der indischen Religion zeugen die kosmischen Wasser, wenn sie bereit sind, das Universum zu erschaffen, eine Lotusblüte aus purem Gold mit hundert Blütenblättern, strahlend wie die Sonne. Diese ist die Tür, die Öffnung, gleichsam der Muttermund des Universums. Wie die Blumen so können auch die Chakras geöffnet oder geschlossen sein, in Blüte stehen oder am Verwelken sein — entsprechend dem inneren Bewußtsein des Menschen.
Im Tantrismus, dem mittelalterlichen Buddhismus, in welchem sich buddhistische und hinduistische Ideen vermischen, ergeben die Chakras die Struktur einer mystischen Physiologie und Anatomie. Mircea Eliade schrieb in seinem Werk über Yoga, daß die grundlegende Bedeutung des Systems der Chakras in seiner doppelten — magischen und konkreten — Funktion aufgefunden werden könne: Einerseits realisiert der Praktiker eine «Kosmologisierung» seines eigenen Körpers, indem er ihn auf die Ebene des Göttlichen bringt, andererseits realisiert er in der Abschaffung des Kosmos an sich die Zusammenführung der Gegensätze.
Die sieben Chakras decken sich mit den sieben wichtigsten Nervenzentren — dem Perineum (Damm zwischen After und äußeren Geschlechtsteilen), dem Kreuzbeinbereich (Unterleib), dem Solarplexus, dem Herz, dem Hals, der Stirn und dem Scheitel. Von besonderer Bedeutung sind das unterste Körperzentrum mit Namen muladhara, das hier die Nummer 1 trägt und das oberste Zentrum mit der Nummer 7, das seinen Ort im Scheitel, in der Nähe der Fontanelle hat und sahasrara genannt wird. Das muladhara umfaßt eine mysteriöse göttliche Potenz, die es dem Individuum — mit Hilfe von Yoga-Techniken — erlaubt, von Chakra zu Chakra aufzusteigen, um auf der höchsten Stufe, eben sahasrara, die Erleuchtung zu finden. Man beginnt in der raum-zeitlichen Welt der Körper (Materie) und endet in der spirituellen Welt des Wissens und des Bewußtseins. Dieselbe Bewegung unternimmt auch die Göttin Kundalini, deren Gefährten die Chakras sind. Kundalini windet sich wie eine Schlange dreieinhalb Mal um das erste Chakra und erklimmt bei jedem Erwachen das nächsten Chakra, bis sie das siebente, letzte und höchste der Chakras erreicht hat. Das
Die kleine runde Figur in der Mitte, welche an das Tai Chi-Symbol der chinesischen Tradition erinnert, wird hier als Graphik der möglichen Beziehungen der drei Guna (Rajas = R, Tamas = T und Sattwa = S) interpretiert. Sie zeigt, wie die sieben Farben der Chakra-Leiter aus drei Grundfarben — Rot, Gelb und Blau — und ihren vier Kombinationen geformt und gemischt werden können. Wenn den drei Grundfarben je ein Guna zugeordnet werden, sehen wir, wie die Materie (Tamas) und Energie (Rajas) sich zur Bewegung (Orange) finden, wie Energie und Geist (Sattwa) die Beziehungen (Grün) ermöglichen, wie Materie und Geist zum Licht der Wahrnehmung (Indigo) führen und sich alle zusammen in Form der Erleuchtung (Violett) wiederfinden.
In den Chakras wird der Körper des Praktikanten von einem energetischen Stom durchflutet. Derselbe Strom durchfließt den Kosmos, die Götter und den «subtilen Körper». Es bildet sich ein Netz von Kanälen (nadi), die in der indischen Tradition als Röhren, Venen oder Nerven dargestellt sind und welche die diversen Chakras, die vitalen Zentren der mystischen Anatomie, miteinander verknüpfen. Die Zahl der nadi ist unerschöpflich. Die Kanäle und die Zentren beziehen sich unter anderem auf astrale, göttliche, elementare und mineralische Übereinstimmungen, so daß sich eine breite Palette von Entsprechungen zwischen den sieben Chakras, den Elementen, den Energieflüssen, den menschlichen Körperteilen, den Jahreszeiten, der Geometrie, den Edelsteinen und den Farben aufstellen ließe.
Wir erlauben uns einige persönliche Freiheit in der Farbzuordnung und in der Darstellung. Einerseits ist eine eindeutige Auslegung in der indischen Tradition nicht zu finden, andererseits ist für Menschen, die im westlichen Denken erzogen wurden, kaum möglich, das
In der
Wenn wir die aufsteigende Reihe der Chakras mit Wörtern unserer Kultur bezeichnen wollen, können wir etwa die Materie, die Bewegung, die Energie, die Beziehungen, die Vibrationen, das Licht und das Wissen wählen. Die beiden gegenläufigen Pfeile der sechs unteren Chakras bezeichnen ihre Rotation, ihr spinning: eine Folge der beiden gegenläufigen Ströme Ida (Sonne) und Pingala (Mond). Diese Darstellungsweise verdeutlicht die Möglichkeiten jedes Chakras, seiner Energie eine Richtung zu geben. Die diversen Kreise machen die Interaktionen zwischen verschiedenen Chakras beziehungsweise Gruppen von Chakras sichtbar. Die beiden fetten Kreise umfassen einerseits die physische Welt, andererseits die bewußte Welt, und wo sie sich überschneiden steht das Grün, das den Austausch bezeichnet. Im weiteren können die Chakras zu drei sich überschneidenden, interagierenden Dreiergruppen verbunden werden (gestrichelte Kreise) — einer Gruppe der Aktion, einer der Interaktion und einer der Perzeption. Diese Kreise weisen nochmals darauf hin, daß chakra im Sanskrit «Rad» oder «Scheibe» bedeutet, und der daraus abgeleitete Ausdruck chakravartin meint den «Herrscher der Welt», denjenigen, der das Rad dreht und die aufsteigenden und absteigenden Strömungen ermöglicht.
Die
Datierung: unbestimmt
Literatur: B. Walker, «Hindu World», London 1968; C. W. Leadbeater, «Chakra», Triest o.J.; Katya Walter, «Chaosforschung, I Ging und genetischer Code», Diederichs, München 1992; H. Zimmer, «Indische Mythen und Symbole», Diederichs, München 1984.